Sonntag, 6. Dezember 2020

Kleine (Jung-) Vertikale: Carl Loewen - Alte Reben

Carl Loewen - Alte Reben
(2015 - 2019)

Ich finde es ja immer wieder spannend, nicht nur einfach einen Wein zu probieren, sondern diesen Wein auch irgendwelchen anderen Weinen gegenüberzustellen. Seien es verschiedene Jahrgänge, andere Produzenten, Weinen aus der selben Lage, oder oder oder.

Meines Erachtens nach lernt man durch diese direkten Vergleiche wesentlich mehr und kann bestimmte Sachen oder Wahrnehmungen viel besser einordnen.


Also habe ich mir seit einigen Jahren eine Flasche von einem meiner Lieblings-Weine aufgehoben um irgendwann einmal die verschiedenen Jahrgänge eines relativen "einfachen" Weines (Sorry, falls das jemand liest. Aber der Wein ist natürlich nicht die Spitze des Weinguts, sondern - wie ich finde - ein ganz solides Mittelmaß. Daher keinesfalls abwertend gemeint, im Gegenteil!) nebeneinander zu verkosten. 


Und gerade, weil dieser Wein nicht die Spitze der Qualitäten des Weinguts darstellt, war es für mich so spannend mal zu sehen, wie lange diese Weine eigentlich trinkbar sind. Denn "einfache" Weißweine muss man doch nach spätestens 2.3 Jahren getrunken haben... oder nicht?

Dieser Wein begleitet mich schon seit ich angefangen habe, mich ein wenig intensiver mit Wein zu beschäftigen. Auf Basis der Empfehlung eines Freundes (und Weinkenners) hatten wir diesen Wein gemeinsam mit einigen anderen mal in einer größeren Gruppe probiert. Und was soll ich sagen: Dieser Wein hatte damals alle überzeugt.

Viel Trinkspaß, tolle Qualität und ein bemerkenswertes Preis- / Genussverhältnis (wenn man das bei Wein überhaupt sagen darf - da scheiden sich ja die Geister) haben diesen Wein zu einem meiner Lieblinge gemacht - und dies ist er bis heute geblieben! 

Zuvor noch ein paar Worte zu diesem Wein: Carl Loewen - Alte Reben

Wie der Name schon sagt, werden für diesen Wein Trauben geerntet, dessen Rebstöcke bis zu 70 Jahre alt sind und in traditioneller Dichtbepflanzung mit Einzelstockerziehung gepflanzt wurden. Diese Reben wurzeln sehr tief und man verbindet allgemein damit einen höheren Extrakt, geringeren Ertrag und eine bessere Qualität. Der Begriff "Alte Reben" ist hier also wirklich Programm. 

Nach Angaben des Weinguts bleiben die Beeren an der Traube eher klein und werden immer vollreif und goldgelb geerntet. Vergoren wird dieser Wein beim Weingut Carl Loewen ausschließlich spontan. Die Fermentationszeit beträgt 100 Tage bevor der Wein von der Hefe getrennt und in die Flasche abgefüllt wird. Das gewünschte "Zielbild", wenn man bei Weinen überhaupt davon sprechen kann, ist ein (trink-) animierender und betörender Wein, der bereits etwas Fülle mitbringt.

Und nun auch schon genug der Vorrede. Los gehts....


Carl Loewen - Alte Reben (2015)


Die Farbe ist ein schönes goldgelb. Beim ersten reinschnuppern merkt man, dass der Wein irgendwie schon "erwachsen" ist, aber noch nicht diese Reife, die man manchmal sofort erkennt.  

Danach denke ich an einen mehligen, gelben Apfel. Etwas Exotik kommt noch mit. Zeitweise hatte ich tatsächlich überlegt, ob dort die Reste eines Feuerwerks dabei sind. Das müsste dann dem Grunde nach Schwefel sein. So zu 100 Prozent bin ich mir aber nicht sicher. Der Geruch war zwar markant (am zweiten Tag übrigens nicht mehr so wahrnehmbar), aber irgendwie nur schwierig greif- bzw. definierbar. Etwas leichtes, wie Wiesenblume könnte noch dabei sein.

Ich glaube, es wird Zeit endlich den ersten Schluck zu nehmen.... Und der schmeckt!

Die Frucht ist eher zurückhaltend. Apfel ist wieder dabei. Die Säure ist noch immer präsent, frisch und sehr gut eingebunden. Die Konsistenz des Rieslings geht irgendwie schon leicht in Richtung Cremigkeit. Er besitzt Körper und einen mittleren Nachhall. Restsüße sollte vorhanden sein.


Carl Loewen - Alte Reben (2016)

Erneut eine goldgelbe Farbe im Glas. Und ich merke, dass ich mich wohl langsam mal beeilen sollte. Am späten Abend mit wenig Licht wird dies zunehmend schwerer.

Die Nase ist völlig anders als beim Jahrgang 2015 und eher fruchtbetont. Ich erkenne einen saftigen Pfirsich, Nektarine. Auch der nasse Stein, womöglich vom Schieferboden, ist da. Insgesamt wirkt dieser Jahrgang mineralischer als 2015. Vielleicht sogar eine erste Reife wahrnehmbar. Gefällt mir von der Nase ausgesprochen gut. Und ich will jetzt endlich probieren...

Am Gaumen richtig schön saftig, wie ein saftiges Stück Obst. Trauben sind auch da. Die Säure ist schön rund und mild. Ist er ggf. auch süßer oder kommt die Süße aus der reifen Frucht? Eine spannende Frage.

Auf jeden Fall macht er schnell Lust auf ein großes, zweites Glas. Den Nachhall würde ich erneut als mittlere Länge einschätzen. der Spannungsbogen des Weins geht auf einem Niveau rein, bleibt genau auf diesem Niveau und klingt dann langsam aus.

Definitiv total spannend und irgendwie auch richtig krass, wie unterschiedlich die beiden Jahrgänge sind. 2016 gefällt mir aktuell aufgrund des Ticken mehr an Charme und der höheren Komplexität einen Ticken besser.


Carl Loewen - Alte Reben (2017)


Auch wieder eine goldgelbe Farbe. Ggf. etwas heller als zuvor der Jahrgang 2016.

In der Nase kommen sofort mehr steinige Elemente vor. Insgesamt weniger Frucht, als die beiden Jahrgänge vorher. Einen Anklang von weißem Pfirsich, ggf. Birne und wahrscheinlich auch einem roten Apfel erkenne ich.

Ich stelle jetzt mal eine kühne These auf. Die steinigen Elemente überwiegen hier, weil es eher ein kühlerer Jahrgang war. Könnte das sein? Falls jemand eine Erklärung oder eine Meinung dazu hat, bin ich dankbar. Immer her damit.

Am Gaumen ist die Frucht ebenfalls eher zurückhaltend. Der Jahrgang 2017 bringt  trotzdem etwas Fülle mit, wahrscheinlich auch mehr als die anderen beiden. Die Säure ist vielleicht einen Hauch präsenter als 2016. Er wirkt irgendwie kerniger.

Gleichzeitig ist dieser Jahrgang der Mineralischste von allen Dreien. Die Restsüße ist ebenfalls erkennbar vorhanden.

Er ist etwas maskuliner und gehaltvoller. als 2016; dieser Jahrgang ist eher femininer, macht aber vielleicht auch mehr Spaß zum Solo trinken. 2017 sollte grade ein sehr schöner Essensbegleiter sein.


Carl Loewen - Alte Reben (2018)


Dieser Jahrgang ist erstmals erkennbar heller, eher zitronengelb.

Am Gaumen ist er sehr charmant und deutlich ausgeprägtere Fruchtaromatik als der Jahrgang 2017. Zitrone kommt mir gleich zu Beginn entgegen. Aber eher etwas mit Süße, nicht die Säure. Vielleicht, wie ein gut gemachter Limoncello. Schiefer-Aromatik kommt hier ebenfalls direkt in der Nase rüber. Der Wein ist total saftig und trinkanimierend. Schon der Geruch macht mit große Lust auf einen Schluck davon.

Und Versuchungen sollte man ja bekanntlich nachgeben (Wer weiß, ob sie wiederkommen. - Oscar Wilde).


Auch am am Gaumen ist der Wein total saftig. Es kommt noch ein wenig Limettenscalte hinzu, also ein Touch an angenehmeren, herben Tönen. Die Säure ist harmonisch. Den Nachhall würde ich als mittel (+) bis lang bewerten.

Insgesamt stelle ich mir aber die Frage, ob der Jahrgang 2018 (im Vergleich mit den bereits getrunkenen Weinen) vielleicht noch zu jung ist. Oder ist er aufgrund der charmanten, zugänglichen Art weniger entwicklungsfähig als die anderen Weine? Wer Meinungen hat, bitte gerne her damit!

Spannend ist auch, dass der Wein irgendwie den Eindruck vermittelt mehr Säure als 2017 zu haben. Obwohl 2018 ja ein äußerst heisses Jahr war und 2017 deutlich kühler.


Carl Loewen - Alte Reben (2019)


Farblich gesehen ist dieser Jahrgang der Hellste von allen. Ich würde ihn als zitronengelb mit leicht (also wirklich nur ein wenig) grünlichen Reflexen beschreiben.

Die Nase duftet frisch. Er bringt am meisten von allen fünf getesteten ein klares Zitrus-Aroma mit. Zitrone ist dabei. Die Intensität des Geruchs ist aber eher mittel. 2018 war da bspw. viel präsenter. Auch wirkt er in der Nase eindeutig jugendlich. Pampelmuse und ein grüner Apfel könnten noch dabei sein.

Am ersten Tag hätte ich auch noch auf frisch gemähtes Gras, evtl. noch Efeu und fast keine Schiefer-Note getippt. Am zweiten Tag finde ich das Grasige eigentlich nicht mehr. Auch könnte diesmal tatsächlich etwas Schiefer erkennbar sein.

Die Säure dieses Jahrgangs ist am auffälligsten von allen. Diese ist reichlich vorhanden und wirkte am ersten Tag durchaus noch packend. Am zweiten Tag deutlich abgerundeter. Vermutlich sollte dieser Jahrgang ruhig noch ein wenig liegen.

Säure am auffälligsten von allen. Viel Säure, zwar angenehm, aber irgendwie noch bissig. Im Vergleich mit den anderen muss er noch liegen. 

Der Nachhall ist mittel, ggf. etwas kürzer als sonst. Der Restzucker ist schmeckbar. Mosel-typisch trocken sagt man ja :-)


Fazit

Die Weine sind alle total trinkbar und können alle durchaus noch liegen. Auch wenn wir uns hier eher am Beginn als am Ende der Qualitätsstufen bewegen, habe ich den Eindruck, dass dieser Wein eher noch etwas spannender mit ein paar Jährchen liegen lassen werden kann. Er muss also nicht gleich getrunken werden. Im Gegenteil. Die etwas älteren Jahrgänge haben mir viel mehr Spaß gemacht ohne an Frische einzubüßen. Selbst die 5 Jahre Lagerzeit des Jahrgangs 2015 waren verhältnismäßig nichts. 


Aber auch jung trinken ist keine Schande. Das geht gut. Der Wein ist in diesem Zustand eher etwas spritziger und manchmal auch etwas ungestümer - wie das halt in der Jugend so ist. Insgesamt muss ich aber sagen: Es ist ein toller Wein! Er macht Spaß, ist handwerklich gemacht und (nach meinem bisherigen Verständnis) auch ein typischer Mosel-Vertreter. Man sollte also seine Herkunft schon wieder erkennen. Und wenn man so etwas sagen darf... das Preis-/ Genuss (oder auch Preis- / Leistungsverhältnis) ist hervorragend! 

Auch die Jahrgänge unterscheiden sich nach meinem Dafürhalten schon etwas. Man merkt also, dass es sich hier um ein handwerkliches Produkt handelt, was von den individuellen Besonderheiten wie beispielsweise des Jahrgangs oder der Herkunft geprägt ist. 

Nach dem ersten Probeschlücken würde ich die Weine im Hinblick auf das Trinkvergügen wie folgt einordnen:

2016, 2018, 2015, 2017, 2019


Man sieht also: Ich habe diese kleine Vertikale viel zu früh begonnen. Eigentlich müsste ich das Gleiche nochmal in 2025 probieren. Und dann mit den Jahrgängen 2015 - 2025. Hat noch jemand eine Flasche 2015 und 2016 für mich? :-)


Prost!

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