Sonntag, 9. Dezember 2018

Was sind schon 100 Parker Punkte?

Nach meinem letzten Tasting habe ich mich gefragt, wie ich nun schlussendlich alle gewonnenen Eindrücke am Besten zusammenfasse und dem verkosteten Wein irgendwie ein Urteil oder eine Bewertung zukommen lasse. 

Gar nicht so trivial, wenn man plötzlich selber mal gefordert ist. Dabei finden sich doch Bewertungen für Weine doch mittlerweile en masse. So gut wie in jedem Online Shop werden die Weine beschrieben und auch bewertet. Einmal 89 Punkte, 4 von 5, drei goldene Trauben, und und und.

Auch Supermärkte und Discounter greifen in der Anpreisung ihrer zu verkaufenden Ware gerne auf Bewertungen von renommierten Weinkennern zurück. Schliesslich kann die Empfehlung eines Profis ja nur gut sein, oder?
Auch ist mir aufgefallen, dass man bei deutschen Weinen gelegentlich einen einen goldenen, silbernen oder bronzenen Aufkleber entdeckt - in der Regel ein Signal für ein Prämierung des Weins durch die Landwirtschaftskammer.
In der Regel sollen diese Bewertungen für den Konsumenten eine Orientierung in der übergroßen Welt der Weine bieten, lassen aber auch gleichzeitig eine bestimmte Qualität vermuten.

Einer der bekanntesten Kritiker ist Parker, der die die Weine nach Parker Punkten bewertet. Sein Urteil hat in der Weinwelt ein hohes Gewicht und beeinflusst angeblich auch die Preise, die Winzer für Ihre Produkte verlangen können. Da kann es auch schonmal vorkommen, dass ein Wein kurz nach Bekanntwerden der Bewertung in kurzer Frist ausverkauft ist.

Doch was sagen diese Punkte eigentlich aus? Gilt die Aussage, je mehr Punkte, desto besser und vor allem auch desto teurer ist der Wein? Was sind die Kriterien, die hierfür maßgeblich sind?

Es wird wohl Zeit mal ein bisschen mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Und wieso dann nicht auch gleich mit dem bekanntesten Kritiker beginnen.


Wer ist denn dieser Parker überhaupt?
Der amerikanische Weinkritiker Robert M. Parker Jr feierte letztes Jahr seinen siebzigsten Geburtstag. Er ist eigentlich ein studierter Jurist und hat es geschafft sein Hobby zum Beruf zu machen. 
Coole Sache. Ob ich das mit diesem Blog wohl auch schaffe... 😃

Seit dem 9. März 1984 widmet er sich hauptberuflich der Weinbewertung. Hierfür hat er zu diesem Zeitpunkt seine hauptberufliche Anwaltstätigkeit aufgegeben.

Sein Interesse am Wein entdeckte er angabegemäß mit 20 Jahren, als er seine jetzige Frau während eines Auslandssemesters in Straßburg besuchte. Es faszinierte ihn, wie vielfältig und gut man Speisen und Weine kombinieren kann. Darauf hin ließ ihn sein Interesse wohl nicht mehr so richtig los und er begann sich sukzessive detaillierter mit der Materie zu beschäftigen. Nach etwa dreijähriger Vorbereitungszeit veröffentlichte er im Jahr 1978 seinen erste Ausgabe des unabhängigen  „The Wine Advocate“.

Großen Bekanntheitsgrad erlangte er, als er den Bordeaux Jahrgang 1982 korrekt prognostizierte. 

Parkers "The Wine Avocate"
Zu Zeiten des Internets ist dies nicht mehr ganz so einfach vorstellbar. Aber zur damaligen Zeit war es echt schwierig verlässliche Informationen über die Weine zu bekommen. Für den einfachen Konsumenten war es nahezu unmöglich Transparenz in den Dschungel verschiedener Winzer aus verschiedenen Ländern in Verbindung mit den verschiedenen Weinsorten zu bringen. Also entwickelte Parker eine unabhängige Orientierungshilfe, die den Konsumenten bei seinem Weg durch das Dickkicht Geleit bieten sollte.

Mittlerweile hat "The Wine Advocate" ca. 50.000 Abonnenten und es finden sich über 300.000 Bewertungen. Irgendwie ist dies nicht wirklich viel, wenn man bedenkt, dass es hier um weltweite Abonnenten geht. Zu Beginn waren es im August 1978 etwa 600. Trotz der nicht ganz so umfangreich anmutenden Zahl der Abonnenten haben seine Urteile großes Gewicht und beeinflussen die Marktpreise.

Schon vor geraumer Zeit hat Parker seinen Anteil an drei Investoren verkauft und sich ein Stück weit zurück gezogen. Den „Wine Advocate“ gibt es jedoch nach wie vor. Allerdings schreibt nicht mehr nur Parker hierfür Kritiken. Mittlerweile besteht das Team aus insgesamt neun Personen, die jeweils andere Regionen im Fokus haben. 
Vielleicht ist euch der eine oder andere Name schonmal begegnet:

  • Lisa Perrotti-Brown (Bordeaux, Napa Valley, div. amerikanische Regionen)
  • Monica Larner (Italien)
  • Stephan Reinhardt (Deutschland, Österreich, Schweiz, Elsaß, u. a.)
  • Luis Gutiérrez (Spanien, Argentinien, Chile)
  • Mark Squires (Portugal, Griechenland, Osteuropa, Ostküste USA)
  • Liwen Hao (Asien)
  • Joe Czerwinski (Provence, Rhône, Languedoc-Roussillon, Australien, Neuseeland)
  • William Kelley (Burgund, Chablis, Beaujolais, Kalifornien, Washington)

Auch Parker selber ist noch aktiv und kümmert sich weitestgehend um das Gebiet im Norden Kaliforniens und Bordeaux.

Parkers Bewertungssystem
Parker war maßgeblich an der Einführung und Verbreitung des 100 Punkte Systems zur Bewertung eines Weins beteiligt. Seiner Meinung nach bietet eine Beschränkung auf lediglich 20 Punkte nicht genügend Flexibilität um den verkosteten Wein ausreichend zu würdigen.

Das System ist angelehnt an das amerikanische Schulnotensystem. Die Bewertungsskala beginnt bei 50 Punkten:

Punkte Einteilung nach Parker
Und wie kommt der Tester nun auf die entsprechende Punktzahl?

Eigentlich ist die Antwort hier relativ einfach. Jeder Wein bekommt als Basis erstmal 50 Punkte. Danach wird er in den nachfolgenden Kategorien beurteilt und erhält dafür eine gewisse Punktzahl. Die Addition aller vergebenen Punkte entspricht dann dem Gesmtergebis.
Werfen wir doch mal einen Blick auf die Kategorien:

Parker Punkte Pyramide
Auge (bis zu 5 Punkte)
Jeder Wein kann alleine durch seine Erscheinung und Wirkung im Glas bereits 5 Punkte mitnehmen. Maßgeblich dürfte sein, ob die Farbgebung der für dem sortentypischen look entspricht. Eine Vergabe von 4 oder 5 Punkten ist in diesem Bereich nicht selten.

Nase (bis zu 15 Punkte)
Welches Aroma nimmt der Tester wahr? Wie intensiv ist sein Duft? Besitzt er viele einladende Facetten? Für ein ansprechendes Bukett werden noch bis zu 15 Punkte vergeben.

Mund (bis zu 20 Punkte)
In dieser Kategorie geht es um die Intensität und die Reinheit des Geschmacks, die Balance zwischen Süße und Säure und das Finish des Weines. Also ob man ihn noch lange danach schmecken kann oder, ob er eher flüchtig ist. Da es sich bei Wein m ein Getränk handelt, ist es nicht verwunderlich, dass in der Kategorie Geschmack mit bis zu 20 Punkten eine größere Differenzierung erfolgen kann.

Expertenurteil (bis 10 Punkte)
Neben den wahrnehmbaren Kategorien, des Aussehens, des Geruchs und des Geschmacks werden nochmal bis zu 10 Punkte in einer abschließenden Gesamtbetrachtung vergeben. Ich habe diese Kategorie mal Expertenurteil genannt, weil in der abschließenden Würdigung nicht nur der Gesamteindruck des Weines betrachtet wird, sondern auch Faktoren wie die Entwicklungsperspektiven und die Lager- und Alterungsfähigkeit eines Weines eine Rolle spielen. Das Expertenurteil fließt nochmal mit bis zu 10 Punkten in die Gesamtwertung ein.

Getestet wird in der Regels mittels eines Gruppenvergleichs, ohne dass der Winzer vorher bekannt ist. Weder der Preis noch die Reputation soll den Eindruck verfälschen. Gruppenvergleich bedeutet, dass immer Weine der gleichen Gruppe gemeinsam verkostet werden und gegeneinander gestellt werden. Also z. B. ein Bordeaux gegen Bordeaux, Pinot Noir aus Kalifornien gegen Pinot Noir aus Kalifornien.

Ein Vergleich von Weinen unterschiedlicher Rebsorten gegeneinander macht aus Sicht von Parker 
keinen Sinn: 

"Ich denke, Weine sollten in sehr genau festgelegten Parametern beurteilt werden. Es ist unmöglich, eine intelligente Einschätzung zu treffen, wenn Weine verschiedener Rebsorten oder aus unterschiedlichen Regionen miteinander verglichen werden."


Die Punktzahl soll dementsprechend eine schnelle Einschätzung ermöglichen, wie sich ein Wein im Verhältnis zu anderen Weinen seiner Vergleichsgruppe verhält. 



Aber ist das nicht trotz allem noch eine Momentaufnahme?
Wein ist ein handwerkliches Produkt, dass lebt, sich entwickelt und verändert. Daher kann der gewonnene Eindruck bei der nächsten Verkostung, in einem anderen Setting, anderem Zubehör, Temperaturen, etc. durchaus ein anderer sein. Außerdem kann doch mit dem Urteil in Form von lediglich einer Punktzahl gar nicht alles gesagt werden.
Um diesem Problem zu begegnen verweist Parker darauf, dass die veröffentlichten Bewertungen oftmals Durchschnittsnoten sind und die Weine in aller Regel mehrfach verkostet werden. Darüber hinaus hebt er die Bedeutung der ausformulierten Beschreibung des Verkostungs-Ergebnisses hervor. Erst mit diese Infos lasse sich wirklich ein Bild des individuellen Charakters vermitteln.


Prinzipiell stelle ich es mir so vor, dass ein professioneller Verkoster sich eine Art Geschmacksprofil als Benchmark für die verschiedenen Sorten gedanklich abgespeichert hat. Gegen diese Benchmark verprobt und beurteilt er dann. Dazu muss dann aber jede Menge an Erfahrung notwendig sein. Parker selber sagte, dass er im Jahr etwa 10.000 Weine verkostet habe. 10.000? Wow...Wenn das stimmt, dann ist das ja der Wahnsinn. Das wären also jeden Tag etwa 27 Weine! Sehr krass. 
Seid ihr denn nach soviel Eindrücken überhaupt noch in der Lage zu differenzieren? Ich mit Sicherheit nicht. Mal gucken, wie weit man sich durch "Training" dort annähern kann. 😉

Aber trotz allem ist es natürlich äußerst diskussionswürdig, inwiefern nicht die persönliche Vorliebe des Verkoste hier noch eine Rolle spielt. Trotz aller Bemühungen bestimmte objektive Kriterien zu finden, glaube ich, dass trotz allem auch ein bisschen Subjektivität dabei sein kann.

Und wie bekomme ich jetzt 100 Punkte?
Eigentlich ist das relativ einfach gesagt: 100 Punkte Weine müssen über alles verfügen. Alles? Ja, wichtig sind Fülle, Komplexität, Ausgeglichenheit und das Potenzial gut zu reifen. Sie müssen also in der Lage sein noch mindestens 10-20 Jahre zu altern, zu reifen und sich zu verändern.


"Das Altern von Weinen bewirkt, dass die Frucht des Weins gemindert wird und diese durch komplexe Aromen und weichere Tannine ersetzt wird. Es ist kein Geheimnis, dass alterungsfähige Weine häufig die mit der größten Konzentration sind, aber sie müssen außerdem Balance haben, nichts darf fehl am Platz sein. Wenn die Tannine zu stark sind, der Säuregehalt zu hoch oder zu niedrig ist, die Frucht zu reif oder zu unreif ist, dann liegt keine Balance vor, und die Weine reflektieren dies."

Übrigens: Mir ist sogar ein deutscher Winzer von der Mosel bekannt, der für seinen Wein vor noch nicht allzu langer Zeit sogar mehrfach 100 Parker Punkte erhalten hat. Wie sollte es auch anders sein, handelte es sich dabei um Riesling:

Markus Molitor - Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese 2013 edelsüß
Markus Molitor - Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese 2013 edelsüß
Markus Molitor - Ürziger Würzgarten Riesling Auslese 2013 edelsüß

Eine aktuelle 100 Punkte Bewertung gab es für:

Markus Molitor - Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese 2015 feinherb

Auch andere Weine von Markus Molitor haben sehr gute Bewertungen erhalten. Vergeben hat die Punkte übrigens Stephan Reinhardt. Achja. Und was Kosten angeht. So zwischen 100 - 200 EUR ist da bereits etwas erhältlich.
Warum aber meistens die Auslesen besonders hohe Punktzahlen erhalten haben würde mich mal brennend interessieren. Weiß da jemand etwas? Oder nochmal was ganz anderes: Wieviel 100 Punkte Weine gibt es eigentlich? Wie ist denn so die Verteilung der Punktzahlen insgesamt? Aber dazu gibt es wahrscheinlich keine Zahlen.


Lessons learned

Aber genug für heute erstmal. Was bleibt denn da jetzt davon hängen? Ich würde sagen:
  1. Die Schwierigkeit in der Bewertung liegt dabei einen subjektiven Eindruck zu objektivieren.  
  2. Die Punktzahl setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. 
  3. Ein Wein mit 94 Punkten ist besser als ein Wein derselben Vergleichsgruppe mit 91 Punkten. 
  4. Der Preis ist im Rahmen der Bewertung zunächst irrelevant. Allerdings kann eine gute Bewertung oder auch kontinuierlich gute Bewertungen einen Einfluss auf den Preis haben. 
  5. Probieren geht über studieren. Um auch vergleichen zu können, muss man doch öfters mal zur Flasche greifen.

Am wichtigsten ist aber ja doch eins: "Es zählt nicht das Ergebnis, sondern das Erlebnis!"




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