Sonntag, 21. Juli 2019

1136, 14 Meter, 1,8 Mio. Liter, 3 Weine und 1 Großes Gewächs - Besuch im ehemals modernsten Weinkeller Europas

Steinbergkeller des Weinguts Kloster Eberbach
Wer hätte gedacht, dass dieser moderne Weinkeller hier quasi um die Ecke liegt.

Das hessische Staatsweingut Kloster Eberbach im Rheingau hat in den Jahren 2006-2008 sagenhafte 16 Mio EUR in den Neubau eines hochmodernen, etwa 5.000 qm Kellers investiert.
Dieser kann an Sonntagen gegen einen Kostenbeitrag von 12,- EUR ohne Anmeldung besichtigt werden. Nebenbei werden dann gleichzeitig noch drei Weine verkostet.

Ein guter Grund um mal vorbeizuschauen, oder nicht?
Schon seit längerem hatte ich mal mit einem Besuch geliebäugelt. Vom Hören-Sagen ist mir immer wieder zu Ohren gekommen, dass das Kloster Eberbach und auch der Keller definitiv mal einen Abstecher wert sei. Schließlich gilt Kloster Eberbach mit ca. 250 Hektar Rebfläche nicht nur als Deutschlands größtes Weingut, sondern weist auch eine weitreichende Historie auf.

Kloster Eberbach
Die Gründung des Klosters geht auf Bernhard von Clairvaux zurück. Gerüchteweise erkundeten
damals Mönche die Gegend und beobachteten einen Eber, der seine Furchen im Boden hinterließ. Auf diesen Vertiefungen sollen im Anschluß die Grundmauern des Klosters errichtet worden sein, was dem Kloster Eberbach dann auch seinen Namen bescherte.
Bereits zur Gründung im Jahr 1136 begannen die Mönche dieses Klosters dann mit dem Weinbau. In der Folge fand reger Handel statt. Von den gelegten Verbindungen bis nach Skandinavien profitiert das Weingut noch heute.

Aber nun wieder zurück in die Gegenwart. Der Steinbergkeller liegt nämlich nicht direkt beim Kloster Eberbach, sondern etwa 300 Meter darunter, bei der Domäne Steinberg. Und Dennis Linke, der Guide für die anstehende Besichtigung wartet schon.

Nachdem ich zunächst an der Vinothek warte - OK, vielleicht sogar auch schonmal in Ruhe ein Gläschen probiert und die Zeit etwas vergessen habe - bekomme ich auf Nachfrage noch den Hinweis, dass der Weinkeller unten an der Domäne Steinberg zu finden sei.

Also ein kurzer Blick auf die Uhr, ein paar schnelle Schritte in Richtung Parkplatz und ich treffe gerade noch rechtzeitig ein um bei der Führung dabei zu sein.

Notiz an mich selbst: Vielleicht ab und zu dann doch nochmal etwas genauer lesen :-)

Zur Begrüßung erzählt Dennis Linke bei strahlendem Sonnenschein zunächst ein paar nette Anekdoten über die Anlage und berichtet, wie es eigentlich dazu kam, dass er hier am Weingut „gestrandet“ ist. Auch die aktuelle Gruppe und die Tatsache, dass eine Gruppe von Winzern heute mal ein Auge auf die in 14 Meter Tiefe errichteten Kelleranlagen werfen will, tut seiner Souveränität keinen Abbruch.

Ein interessanter Vergleich kommt auch gleich schon auf: Das Weingut Kloster Eberbach gilt, wie bereits geschildert, aufgrund der bewirtschafteten Fläche als das größte Weingut in Deutschland und ist seit 1945 im Besitz des Landes Hessen.
Auch wenn für uns die Größenordnung schon als bedeutend erscheinen mag ist insbesondere das Thema Fläche für die Weingüter in der sogenannten „Neuen Welt“ kein Problem. In Neuseeland arbeitete unser Guide auf einem familiengeführten Weingut mit etwa 750 Hektar!

Wahnsinn, welche Größenunterschiede.

Einen hohen Wiedererkennungswert der gesamten Anlage bildet die rund 3 km lange Mauer, die sich rund um den Steinberg zieht und seit dem begonnen Bau im 13. Jahrhundert den Rebstöcken Schutz vor vierbeinigen Wilderern bieten soll. Sehr zur Freude der rund 150 eingesetzten Erntehelfer schafft es hin und wieder doch mal ein vierbeiniger Traubendieb diese Hürde zu überwinden - für die Erntehelfer besteht dann nämlich die Aussicht auf leckere Wildschwein Bratwurst.

Für den Bau des Kellers wurden etwa 16 Mio. EUR investiert und rund 10.000 Kubikmeter Beton verbaut. Der Bau war seinerzeit heftig umstritten und konnte nur mit zahlreichen Auflagen und einer Bürgschaft des Landes Hessens bewerkstelligt werden.
Unter anderem musste das Weingut des Landes, was in der Vergangenheit (wie auch andere Staatsbetriebe) keinen großen Fokus auf die Wirtschaftlichkeit legte, die Investitionen aus eigener Kraft tragen und seine Strukturen anpassen um auch spätestens ab 2015 wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dies scheint wohl gelungen.


So langsam geht es dann auch mal unter die Erde und natürlich - Endlich :-) - auch zum ersten Schluck Wein:

Kloster Eberbach - Pinot Noir trocken (2014)

Schonmal ein guter Start mit diesem rubinroten Tropfen. Auch wenn hauptsächlich Riesling angebaut wird, besitzt das Weingut einige Flächen, die mit Spätburgunder bepflanzt sind.

Das besondere ist, dass die Trauben zwar zunächst hier in der Domäne Steinberg angeliefert und ausgepresst werden, die weitere Verarbeitung jedoch bei den hauseigenen Spezialisten in Assmannshausen erfolgt.

Angeliefert werden alle geernteten Trauben natürlich oberirdisch im Hof. Zur Erntezeit stehen 150 Erntehelfer, abrufbare Zusatzkräfte und auch noch ein Vollernter (und in Kürze noch ein Zweiter) bereit. Das sortieren der Trauben und prüfen der Traubenqualität wird automatisch vorgenommen. Eine Maschine selektiert anhand von Kamera Beobachtungen sorgfältig und mit rasanter Geschwindigkeit das Lesegut nach vorgegebenen Maßstäben.

Leider war dies nicht live zu sehen, aber wer schon einmal ein Video davon gesehen hat, der kennt diese Anlagen sicherlich. Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich beeindruckend.

Danach können die Trauben durch eine Öffnung in den Keller „fallen gelassen“ werden. Eine Art Schlitten an der Decke verteilt sein Fassungsvermögen auf die Gärtanks oder Pressen. Insgesamt können in diesem Keller bis zu 150 Tonnen täglich verarbeitet werden. Damit wäre die vollständige Lese in nur 10 Tagen möglich. Ist dies viel? Ist dies wenig? Eigentlich rechnete man traditionell wohl mit einer Lesezeit von 6-8 Wochen. In der Praxis hat sich diese Zeitspanne wohl mittlerweile auf ca. 3-4 Wochen verkürzt, wie die anwesenden Winzer nochmal bestätigten. 
10 Tage ist also Champions League!

Noch ein Wort zur preisgekrönten Architektur des Kellers. Mittels einer Lichtfuge hat es der Architekt geschafft Tageslicht in den Keller zu bringen. Trotz der Tiefe von 14 Metern wird damit ein sehr angenehmes Arbeiten ermöglicht!
Apropos Licht. Der nächste Lichtblick wartet:

Kloster Eberbach - Steinberger Crescentia Riesling trocken (2016)

Ein schöner, frischer Riesling mit der markanten Note des Steinbergs. Gut, der Guide schmeckt den Unterschied nach zehn Jahren Kellerführungen sicherlich schon raus. Für mich wirkt er einfach wie ein schöner, frischer Rheingau Riesling.

Weiter geht es mit einem näheren Blick in das voluminöse Gärtank Lager. Insgesamt können dort rund 1,8 Mio. Liter in 270 Edelstahltanks verarbeitet werden. Das Fassungsvermögen der Tanks reicht von 270 Liter bis 50.000 Liter, je nachdem welche Trauben verarbeitet werden bzw. Weinkategorie hergestellt werden soll.
Auch hier zeigt der Vergleich mit den Weingut aus Neuseeland wieder, dass diese Dimensionen locker noch gestoppt werden können: 160.000 Liter fasste dort ein großer Tank.

Apropos Größe. Fast hätte ich vergessen noch etwas ganz großartiges zu erwähnen: Die Schatzkammer.
Wie es sich für ein ordentliches Weingut gehört, lagern in der Schatzkammer des Weingutes verschiedenste Weine der letzten Jahrzehnte und sogar des letzten Jahrhunderts. Angeblich datieren die ältesten Schätze aus dem Jahr 1706! Dementsprechend hat die Schatzkammer auch voluminöse Ausmaße, die in etwa der Höhe des Bodens bis zur Decke der Basilika des Klosters entsprechen.
Was jedoch genau dort drin liegt ist ein streng gehütetes Geheimnis. Zur alljährlichen Weinversteigerung oder auch zu besonderen Anlässen oder Besuchen wird dann gerne mal wieder einer dieser Schätze gehoben. Besuchen konnten wir dieses Plätzchen leider nicht.
Der Versteigerungsrekord wurde für eine Trockenbeerenauslese des (wahrscheinlich ganz besonderen) Jahrgangs 1911 erzielt: Ein Deutsch-Kanadier erstand diese Flasche (Ja, es war nur EINE Flasche), für sagenhafte 53.000 DM, also mehr als 27.000 EUR!
Gerüchte besagen, dass diese Flasche nur wenige Wochen später bei Sothebys in London erneut den Besitzer wechselte. Diesmal für etwa 100.000 DM (über 51.000 EUR)!

Gut möglich, dass sie immer noch im Keller eines Sammlers schlummert.

Nach all der modernen Ausstattung wird es nun fast nochmal ein wenig nostalgisch. Es geht auf zur letzten Station der Führung und ab in das Kellergewölbe mit den Holzfässern. Das ist ja eigentlich das klassische Bild, was einem vor Augen schwebt, wenn man an einen Keller denkt.

Passend zur letzten Runde wartet dann auch das Highlight der Verkostung.

Kloster Eberbach - Hochheimer Domdechaney Riesling trocken (2015)

Holzfasslager im Steinbergkeller
Bei diesem Wein handelt es sich um ein Großes Gewächs aus der klassifizierten Lage Domdechaney
in Hochheim. Dieser Wein wird unter anderem auch in den Holzfässern dieser letzten Station ausgebaut. Wobei der Holzfassausbau auch für ein Großes Gewächs nicht selbstverständlich ist. Die im Rheingau bekannte Lage Marcobrunn wird beispielsweise nur im Stahltank ausgebaut.

Und endlich erfahre ich auch mal ein bisschen was über Besonderheiten des Großen Gewächs. Schon oft habe ich das mal auf irgendwelchen Weinkarten gesehen oder gehört. Meistens springt mir immer gleich der deutlich höhere Preis direkt ins Auge.😉

Was konnte ich mir denn auf die Schnelle noch alles merken:

Ein Großes Gewächs kann nur auf einer diesbezüglich klassifizierten Lage erstellt werden. Dieser Wein soll die spezifischen Charakteristiken dieser Lage verkörpern und sie zum Ausdruck bringen. In der Regel sind diese Weine auch lange lagerfähig und entfalten ihr Potenzial erst nach und nach. 3-5 Jahre sollte man wohl mindestens einplanen.
Beabsichtigt ein Winzer ein Großes Gewächs herzustellen, muss dies bereits sehr weit im Voraus beim VdP angemeldet werden. Dieser stellt hohe qualitative Vorgaben, deren Einhaltung auch stichprobenartig kontrolliert werden. Wesentliche Merkmale sind natürlich ein ertragsreduzierter Anbau, aber auch die zwingende Lese von Hand.

Ob der Wein dann schlussendlich auch als Großes Gewächs auf den Markt kommen kann, entscheidet sich bei der Verkostung durch eine Jury. Ich dachte zwar, dass die „Kollegen“ dann nur ungerne ein Produkt ihres „Kollegen“ durchfallen lassen, unser Guide bestätigte aber, dass die Chancen bei etwa 50:50 stehen.
Besteht ein Wein diesen Test nicht, dann muss er herunter gestuft werden und darf nicht als Großes Gewächs vertrieben werden. Dies ist wohl in 2011 auch mal passiert.
Besteht der Wein jedoch diesen Test, dann ergeben sich durch die Klassifizierung schnell Preissteigerungen von 200-300 Prozent gegenüber der Basis Linie. Im eben verkosteten Beispiel liegt der Preis für den Wein bei 32 EUR, die Basislinie hierzu bei etwa 12 EUR.

Irgendwie interessant - ich glaube das Thema der Klassifizierungen könnte demnächst mal einen Blick wert sein.

Blick von der Domäne Steinberg
Nachdem die Gläser geleert sind, geht es nun auch wieder über 80 Treppenstufen zurück an die Oberfläche. Der Ausblick von hier ist wirklich klasse. Aber auch die Führung war wirklich lohnenswert. interessante Einblicke mit ausgesprochen gutem Entertainment. Vielleicht ergibt sich ja mal die Möglichkeit bei einem anderen Winzer mal einen vergleichenden Keller Blick zu riskieren.

Für heute aber genieße ich erst nochmal ein bisschen de hervorragende Aussicht und den strahlenden Sonnenschein. Und ich widerstehe der Versuchung dabei noch ein Gläschen zu genießen.

Für heute soll es kein Glas mehr sein..... zumindest nicht mehr hier....

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