Sonntag, 17. Februar 2019

Bordeaux: Warum nicht gleich oben einsteigen - Pichon Longueville Comtesse de Lalande 2010

In letzter Zeit bin ich zunehmend etwas angetan mit der Faszination rund um Bordeaux Weine. Zunächst dachte ich das Thema und die Region sei irgendwie kompliziert, aber ich bin schwer bemüht mir dort einen besseren Einblick zu verschaffen.


Und wie das so häufig beim Thema Wein ist: Man kann zwar vieles darüber lesen, es geht aber nichts über die flüssige Praxis. :-)
Also mal kurz überlegt, wie ich hier am besten vorgehen sollte. Und naja, was soll ich sagen: Anstelle die Leiter von unten nach oben zu klettern, könnte ich ja auch einfach direkt im oberen Bereich einsteigen (wenn man etwas macht, dann sollte man es ja auch gleich richtig machen... 😁

Daher habe ich mich dazu entschieden mein Sparbuch mal in Anspruch zu nehmen und mir ein edles Tröpfchen eines renommierten und klassifizierten Weinguts aus einem Top-Jahrgang und aus einer der herausragenden Appellationen von Bordeaux zu gönnen. Und nebenbei teste ich dann direkt nochmal die Unterschiede zwischen Erstwein und Zweitwein. 


Zur Verkostung stehen bereit:

Pichon Longueville - Comtesse de Lalande (2010)



Pichon Longueville - Réserve de la Comtesse (2010)

Aber zunächst mal ein paar Hintergründe.


Der Jahrgang 2010

2010 gilt als einer der großen Jahrgänge in Bordeaux. 
Nach einer nassen und kalten Winterphase waren die Monate April und Mai eher von Trockenheit geprägt. Auf einen Wärmeschub Ende Mai folgte jedoch nochmals Kälte. Nach einem trockenen Sommer konnte in Ruhe reifes Lesegut mit hohen Zucker- und erhöhten Säurewerten (kühle Nächte) geerntet werden. 

Als kennzeichnende Merkmale werden den Weinen des Jahrgangs 2010 volle Reife, tolle Frische und ein hohes Maß an Entwicklungspotenzial zugeschrieben. Insgesamt herrscht eine hohe Qualität. 

Man sagt, dass Weine mit einem hohen Merlot Anteil jetzt (2019) in eine erste Trinkreife kommen. Auf alle anderen kann man noch etwas warten oder man sollte dementsprechend für Belüftung sorgen. 

Die offizielle Website der Bordeau Weine „vins de Bordeaux“ schreibt zu den Rotweinen des Jahrgangs 2010: 
"Eine schöne Säure – Garantie für Langlebigkeit, Frische und eine sehr ausdrucksstarke Fruchtigkeit. Weitere Eigenschaft: Reife Tannine, die zugleich eingebunden und seidig sind, mit alkoholischer Stärke. Das Potenzial dieser Weine erweist sich als außergewöhnlich!"
Auch Parker nannte 2010 einen der besten drei Jahrgänge, die er verkosten durfte (siehe Falstaff Artikel aus 2011)


Die Appellation

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bordeaux_(Weinbaugebiet)
Bei einem ersten Überblick über die Region Pauillac (Nr. 4 in der Abbildung) fiel mir auf, dass die Weine dieser Region durch die Bank weg eher etwas im höherpreisigen Bereich angesiedelt sind. Neben Pomerol ist wohl Pauillac das Gebiet mit dem höchsten Aufpreis. 

Insgesamt umfasst das Weinbaugebiet rund um die Stadt Pauillac etwa 1.213 Hektar und liegt am linken Ufer der Gironde. Dies sind etwa 45 % der gesamten Fläche des Gemeindegebiets!

Zumeist handelt es sich um sandige Böden mit kleinem Kies. 

Insbesondere Cabernet Sauvignon findet in diesem Gebiet sehr gute Bedingungen vor und stellt häufig den Großteil der jeweiligen Cuvée. Darüber hinaus werden (natürlich) auch noch Merlot und kleine Teile von Cabernet Franc und Petit Verdot angebaut. 

52 Weinbauern produzieren im Durchschnitt 7,2 Millionen Flaschen pro Jahr. 

Der gute Ruf dieser Appellation untermauert sich auch dadurch, dass drei der insgesamt fünf klassifizierten Premier Cru aus dieser Appellation stammen. Diese sind:
  • Château Lafite-Rothschild
  • Château Latour
  • Château Mouton-Rothschild


Die Weine der Appellation

Weinen aus Pauillac werden Eleganz, Tiefe und Kraft zugeschrieben und gelten als die maskulinsten Weine von Bordeaux, welche häufig etwas Alterung und Reifezeit benötigen. In der Regel besitzen sie eine robuste und starke Tanninstruktur. 

Generell sollten sie nicht zu warm serviert werden. Empfohlen werden 16 - 18 Grad (max.). Die jüngeren Weine aus Pauillac (5-10 Jahre) sollten zur besseren Entfaltung der Aromen mit einem Dekanter (ca. 1-2 Stunden) karaffiert werden. Ältere Weine (ab 10 Jahre) sollten wenige Minuten vor dem Genuss einfach dekantiert werden. 

Die generelle Typizität eines Pauillac Weins kann wie folgt beschrieben werden:

Farbe:
dunkles Rubinrot, Granat, dunkelrot.

Nase: 
kräftiges Bukett (reich und intensiv) mit vielfältigen Aromen. Duft von Sauerkirschen, schwarzer Johannisbeere und anderen kleinen roten Beeren. Vanille- und Ledernoten. Düfte mit würzigen Nuancen. Auch Schwarzkirschen, Lakritz, schwarzer Johannisbeerlikör, Sauerkirschen, Rose, Iris, Zeder, Rauch und Weihrauch finden sich hier. 

Essensbegleitung: 
starke und raffinierte Gerichte, verschiedene Wildgerichte, Rippchen, Hammelfleisch und Lammkeule, Frikassee von Pilzen


Das Weingut

Das Château Pichon Longueville Comtesse ist eins von 14 Weingütern, die als Deuxième Grand Crus eingestuft wurden und liegt im Süden von Pauillac. 

Die Weinberge des Château liegen in direkter Nachbarschaft zum Château Latour, einem Premier Cru. Darüber hinaus befindet sich das Weingut Pichon Longueville Baron nebenan. 

Der „Baron“ und die „Comtesse“ waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mal ein Weingut; wurden dann jedoch im Rahmen von Erbregelungen aufgeteilt. 
1926 erfolgte der Kauf durch die Familie Miailhe. Danach blieb es lange Jahre in Familienbesitz (Tochter führte den Namen May Elaine de Lencquesaing) bis es 2007 durch das Champagnerhaus Louis Roederer erworben wurde. 

Die Rebfläche beträgt etwa 85 ha. 


Die Weine des Weinguts

Insgesamt stellt das Weingut mittlerweile ca. 500.000 Flaschen pro Jahr her. 

Der Grand vin oder auch Erstwein des Château nennt sich 

Pichon Longueville Comtesse de Lalande 

und ist, wie nahezu alle Weine des Bordeaux ein Cuvée. Hierfür werden in der Regel die besten Beeren der jeweiligen Rebsorte verwendet. 

Zur Sicherung der Qualität von Weinen im Bordeaux veröffentlicht das L’Institut National des Appellations d’origine contrôlée jedes Jahr eine Beschränkung der Produktion pro Hektar für den Erstwein. Daher können die nicht mehr benötigten Beeren, oder auch die Beeren, die den Qualitätsansprüchen für den Erstwein nicht genügen für den Zweitwein des Château verwendet werden.



Pichon Longueville Réserve de la Comtesse 

Diese beiden Weine unterscheiden sich damit im Traubenmaterial, der Zusammensetzung, aber auch im Preis. Der Zweitwein ist in der Regel deutlich günstiger. 

Und ob sich ein großer Unterschied im Geschmack zeigt, das gilt es jetzt herauszufinden....





Pichon Longueville - Réserve de la Comtesse (2010)

Dieser Wein ist der Zweitwein und sollte im Prinzip jetzt schon trinkbar sein. Es dürfte aber auch nicht schaden ihn noch ein bisschen liegen zu lassen. Das Weingut hatte mir empfohlen ihn eine Stunde vor dem Genuss zu öffnen und ihn in einen Dekanter zu füllen. Doch die Stunde Wartezeit habe ich mir natürlich erstmal mit einem Glas direkt nach dem öffnen der Flasche vertrieben. Schließlich ist das hier ja fast eine wissenschaftliche Arbeit, bei der man auch die ganze Entwicklung nachverfolgen muss 😀

Nach dem einschenken merkt man einen fruchtigen und aromatischen Duft. Der Wein ist im Glas strahlend/glänzend, hat eine mittlere Dichte und eine rubinrote/granatrote Farbe.

Die Schlieren beim Schwenken des Glases sind recht dick. 

Beim reinriechen zeigen sich Beerenaromen. Vor allem Brombeeren nehme ich wahr. Etwas Cassis sollte noch dabei sein, aber auch eine gewisse Würze, wahrscheinlich Pfeffer ist dabei.

Der Antrank ist kühl und kräftig. Der Alkohol macht sich zunächst etwas bemerkbar. Vermutlich durch die spürbare aber gut eingebundene Säure wirkt der Wein frisch. Er hat einen mittleren bis langen Nachhall.

Nachdem der Wein auch seine Wartezeit im Dekanter hinter sich gebracht hat, probiere ich erneut. Die Beeren Aromatik tritt für mich stärker hervor und die Säure tritt etwas zurück, wird vermutlich einfach harmonischer.

Auch am zweiten Tag probiere ich nochmal ein Gläschen von dem in der Flasche übrig gelassenen Rest. Die Beerenaromatik geht jetzt etwas mehr in Richtung dunkler Früchte und etwas Süße nehme ich noch wahr.

Man merkt, dass der Wein wertig und von guter Qualität ist. Falstaff vergibt hierfür 92 Punkte. Wenn ich den Preis schätzen müsste, würde ich ihn so auf etwa 30 EUR bis 40 EUR verorten.


Pichon Longueville - Comtesse de Lalande (2010)

Wie schon angeführt sollte man diesen Weinen auf jeden Fall noch etwas Zeit geben um zu reifen. Daher hatte ich mal direkt beim Weingut nachgefragt, welche Empfehlung sie denn für mich haben. Schließlich die sollte das Weingut seinen Wein ja eigentlich am Besten kennen. Und ja, die Antwort war eindeutig: 
"Zwar kann der Wein durchaus schon getrunken werden, er sollte jedoch gut und gerne noch zehn Jahre Entwicklung und Reife in der Flasche hinter sich bringen, damit man das Optimum herausholen kann. Ansonsten empfiehlt sich auf jeden Fall eine ausreichende Belüftung."
Nun gut, Geduld war noch nie meine Stärke. Also ab damit ins Glas. 

Direkt strömt ein sehr fruchtiger, aromatischer und leicht gereifter Duft in die Nase. Der Wein ist beim betrachten strahlend/glänzend mit mittlerer Dichte. Die Farbe würde ich auf rubinrot/granatrot festlegen. Sie ist einen Tick dunkler als beim Zweitwein.
Beim weiteren hinein schnuppern machen sich Aromen von Beerenfrüchten bemerkbar. Insbesondere Brombeeren und Johannisbeeren scheinen hier den Ton anzugeben.

Wenn ich das Glas schwenke zeigen sich sehr dicke und dichte Schlieren (auch häufig als Kirchenfenster bezeichnet). Es sollte sich also um einen sehr extraktreichen Wein handeln.

Ich bin total gespannt auf den ersten Schluck. Schließlich sind wir ja hier schon bei den wirklich besonderen Bordeaux Weinen. Und eine Belüftung gab es auch noch nicht. Ich gieße aber auch mal die Hälfte der Flasche in einen Dekanter und nehme mir vor nach etwa 2 Stunden nochmal zu probieren.

Und ja. Der erste Schluck (kurz nach dem öffnen der Flasche) bestätigt mit einem intensiven Geschmack die wahrgenommenen Beerenaromen. Der Wein hat eine frische Säure und ich meine sogar eine ganz leichte Cremigkeit wahrzunehmen. Die Tannine sind noch immer präsent. Man schmeckt den Wein auch noch lange nach, also würde ich sagen ein mittlerer bis langer Nachhall.

Nachdem ich mir die Wartezeit auf den Schluck aus dem Dekanter mühsam vertrieben habe (OK, ich gebe es ja zu. Ich habe mir noch ein Glas aus der Flasche gegönnt 😂), ist jetzt der Probeschluck nach dem Belüften dran.

Und ja. Hier merkt man doch deutlich, wie sich ein Wein verändern kann. Und vermutlich bekommt man nun ein Gefühl dafür, wie sich der Wein mit einigen weiteren Jahren Flaschenreife noch verändern könnte.
Die Beerenaromen treten leicht zurück und ich meine jetzt auch Spuren von Grafit und Tabak wahrzunehmen, die sich so langsam dazu gesellen.

Sehr angetan von dieser Entwicklung und der Neugier auf mehr lasse ich noch gut die Hälfte bis ein Drittel in der Flasche zurück und probiere am nächsten Abend nochmal.
Jetzt schmeckt mir der Wein eigentlich am Besten. Er wirkt runder und fülliger und ich nehme jetzt auch eine leichte Süße noch wahr.

Die Entwicklung unter Einfluss von Luft ist beim Erstwein nochmal deutlich stärker. Die Réserve de la Comtesse gewinnt ebenfalls noch etwas, aber dann passiert nicht mehr ganz so viel. Die Comtesse hingegen vermittelt den Eindruck, dass da noch was in der Hinterhand ist, was auf einen wartet.

Also insgesamt schon wirklich ein sehr besonderer und erlesener Wein, der die Lobeshymnen sicherlich zurecht verdient. Unter anderem vergibt Parker für den Wein diesen Jahrgangs 95+ Punkte.

Der Wein wirkt definitiv hochwertig und besonders. Manche sprechen ja davon, dass diese besonderen Weine eine ganz typische Aromatik und einen besonderen Touch haben, den man schnell wieder erkennt. Ich würde mir allerdings nach der ersten Flasche noch nicht zutrauen diesen Wein auf Anhieb wieder zu erkennen. Jedoch merke auch ich, dass er definitiv hochwertig ist.
Da auch der Preis ein für mich nicht unentschiedenes Kriterium ist, habe ich mal überlegt in welche Preisklasse ich ihn denn so auf Basis meiner bisherigen Erfahrungen einsortieren würde. Und ich hätte ihn jetzt aufgrund der wahrgenommenen hohen Wertigkeit im Preisbereich von 60 EUR - 90 EUR verortet. Habt ihr den Wein auch schonmal probiert? Würdet ihr anders schätzen?


Fazit

Eine für mich wirklich sehr besondere Verkostung ist nun beendet.  Besonders von daher, weil ich mich zum einen grade erst am Eingang zu Bordeaux befinde und zum anderen aber auch, weil ich noch nie einen so bekannten und hoch gelobten Wein getrunken habe. Aber auch - und jetzt kommt es - noch keinen Wein in dieser Preisregion.

Der Zweitwein - Réserve der la Comtesse - ist gefühlt schon wirklich wertig und auch ein besonderer Wein. Man merkt im direkten Vergleich jedoch, dass der Erstwein - Comtesse de Lalande - einfach besser ist. Fülliger, runder und komplexer. Die Stilistik der beiden zeigt aus meiner Sicht jedoch schon gewisse Ähnlichkeiten. Sie gehen aromatisch beide in eine ähnliche Richtung, wobei jedoch der Erstwein einfach mehr Ausdruck besitzt. 

Den Zweitwein bekommt man aktuell ab ca. 50 EUR. Damit liegt der zu zahlende Preis gar nicht so weit weg von der Preisregion, die ich aus dem Bauch heraus einfach geschätzt habe. 
Der Erstwein ist aktuell ebenfalls noch zu bekommen (ganz besondere Weine sind manchmal auch selten und ältere Jahrgänge nicht immer auch noch überall verfügbar). Er liegt jedoch aktuell bei den meisten Shops über 200 EUR (ca. 200 - 250 EUR). Dies ist der Grund, warum ich sagte die Verkostung ist für mich besonders. Dies war definitiv der teuerste Wein, den ich bisher mal verkostet habe. 
Mit dem zu zahlenden Preis liegt er jedoch deutlich über meiner, aus dem Bauch heraus getroffenen, Schätzung. Hier hat sicherlich jeder auch ein anderes Empfinden. Stelle ich jetzt mal beide Preise direkt nebeneinander und frage mich, ob der Erstwein für mich auch vier mal besser (weil vierfacher Preis) war, so muss ich tatsächlich sagen: "Nein". Er ist definitiv besser und wertiger, aber so riesig dieser Unterschied aus meiner Wahrnehmung heraus auch nicht. Beide Weine sollte man jedoch wirklich genießen, sich Zeit dafür nehmen und sich auf die Weine einlassen.
Spannend wäre es zu sehen, wie sich der Unterschied in einigen Jahren gestaltet und wie sich die beiden noch so entwickeln und dann schlagen. Es bleibt zu mutmaßen, dass der Erstwein noch eine tolle Entwicklung nehmen kann.

Alles in allem war das Tasting eine ganz besondere und interessante Erfahrung für mich. Und vielleicht ergibt sich ja in Zukunft nochmal die Gelegenheit die gewonnen Eindrücke zu verproben.


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